Kraftwerk der Linth-Kraft AG
30. April 2018
Industrielle Werke Basel
1. Mai 2018

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Herr Frauchiger, 
die Energiebranche steht vor einem fundamentalen Wandel – Stichworte sind Liberalisierung, Erneuerbare Energien, Subventionen – die Zusammenhänge sind sehr komplex.

Ja. Aber wir mögen komplexe Herausforderungen, nicht nur in technischer Hinsicht. Im Laufe der Jahre haben sich die Rahmenbedingungen für Energieerzeuger und Kraftwerksbetreiber immer wieder verändert. Am Ende geht es immer um Wettbewerbsfähigkeit respektive Investitionen versus Verlängerung von Laufzeiten. In diesem Spannungsfeld agieren wir wirtschaftlich effektiv und effizient.

Sprechen wir über den Effizienzbeitrag von Prozessleittechnik.

Die Prozessleittechnik ist ein Hebel, der Einsparungen bewerkstelligt. Noch in den 1960er Jahren mussten Messgrößen an Ort und Stelle angezeigt und ausgewertet werden. Die Stellglieder waren noch nicht automatisiert – sie konnten nur von Hand betätigt werden. Stellen Sie sich den Personaleinsatz vor, um einen Anlagenbetrieb aufrecht zu erhalten. Ende der 1970er Jahre konnten Steuereinheiten erstmals Prozesse automatisieren. Visualisierungssysteme ermöglichten das Fahren von Anlagen mit weniger Personal in einer Schaltzentrale. Fielen die Rechner aus, stand der gesamte Betrieb still. Mit dezentralen Systemen wurde auch dieses Problem abgestellt. Heute bewegt sich die Hardware der Prozessleitsysteme immer weiter weg von spezialisierten Systemen hin zu verbreiteten und somit günstigen IT-Komponenten. Durch den Einsatz von vorgegebenen Engineering-Elementen und Projektierungshilfen sinken die Engineeringkosten.

Aber nicht alle ProzessLeitsysteme sind auf dem neuesten Stand?

Nein, die Lebensdauer verfahrenstechnischer Anlagen wird oft mit 30 Jahren und mehr beziffert. Bei Wasserkraftwerken beträgt sie sogar 100 Jahre. IT-Technik ist schon nach 30 Monaten hoffnungslos veraltet. Die IT-Zyklen sind immer kürzer geworden – vor 20 Jahren betrugen sie für die Steuerungsvisualisierung noch 20 Jahre. Jetzt sind es 6-7 Jahre. Wenn dann der Austausch ansteht, heißt es: die ist noch gut. In Büros werden aber alle vier Jahre die PCs ausgetauscht. Wenn die mal nicht hochfahren, kann dies drei Mal am Tag wiederholt werden.
In der Prozessleittechnik hingegen darf der Computer nur in Ausnahmefällen neu hochgefahren werden. Er läuft 24 Stunden ohne Unterbrechung und genau aus diesem Grund virtualisieren wir die Rechner.

Immer kürzere IT-Laufzeiten erfordern regelmäßige Investitionen. Wie bewerkstelligen Sie mit Ihren Leitsystemen den Spagat zwischen „Stand der Technik“ und „Anlagen-Laufzeit“ und welches Migrationskonzept haben Sie?

Es muss nicht immer gleich neue Hardware sein. Wir sind Experten für virtuelle Systeme. Erstens weil es Geld spart und die Systemlaufzeiten verlängert – aber auch weil der Austausch von Hardware, von PC´s immer mit Problemen verbunden ist. Dazu kommt: Der Kunde muss keine baugleichen Ersatzserver am Lager mehr vorhalten, um für einen Serverausfall gewappnet zu sein. Das spart ebenfalls finanzielle Ressourcen. Von der Migration profitiert also der Kunde.

Sie sind also Spezialist für längere Laufzeiten?

Im Prinzip ja. Ältere Systeme erneuern und dauerhaft Laufzeiten verlängern – das können nur die wenigsten.

Was unterscheidet die BERFA außerdem vom Wettbewerb?

Wir waren in punkto Virtualisierung mit die ersten am Markt. Wir verfügen über exzellente Referenzen. Und unser Name steht für Kontinuität. Ein Beispiel: Wir haben einen Kunden, der schon drei Mal den Firmennamen gewechselt hat. Bei uns hat er seit zwei Jahrzehnten den gleichen Ansprechpartner…

Lassen Sie uns über die Zukunft reden – was bringt sie?

Virtualisierung eröffnet neue Möglichkeiten der Selbstbestimmung, und minimiert die Abhängigkeit von Systemen. Diese Technologie eröffnet den Horizont für neue „smarte“ Lösungen. Zum Beispiel Energiemanagement mit Energiedienstleistungen. Intelligente Verbrauchssteuerung, Verbrauchsmessung, CO2-Nachweise – das ist die Zukunft. Stichwort IT 4.0. Obwohl: Für uns nicht wirklich neu. Wir arbeiten schon seit 25 Jahren mit Software zur Erfassung von Daten, Auswertung von Verbrauchsspitzen…

Fernwartung?

Praktizieren wir per PC seit über 25 Jahren. Eine Herausforderung wird sicherlich „bring your own device“ – das heißt, die Integration von privaten Endgeräten ins Netzwerk, sprich die Abfrage über das Handy, Tablet…

Die Arbeit wird Ihnen also nicht ausgehen?

Nein, der Transformationsprozess und Digitalisierung im Energiesektor wird uns noch lange beschäftigen.

Mit Sicherheit?

Mit Sicherheit. Eine Studie des Weltenergierats in Zusammenarbeit mit den Rückversicherern Swiss Re und Marsh & McLennan zählt Cyberangriffe zu den wichtigsten Herausforderungen für die Energiewirtschaft.

Ihre Vision?

Mehr Vernetzung. Bisher hat jedes Kraftwerk seine eigenen
Systeme, um Daten zu speichern und zu protokollieren. Dabei ist es heute technisch machbar, mehrere Kraftwerke automatisch optimiert über ein einziges Rechenzentrum zu betreiben.

Zusammengefasst lässt sich sagen?

Da geht noch was!